Erfahrungen mit Auswahlverfahren im öffentlichen Dienst

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Meine Erfahrungen mit Auswahlverfahren und Behindertenvertretern im öffentlichen Dienst.

 

Nachdem meine Augen 2015 deutlich schlechter wurden (Kurzsichtig mit 23 und 24 Dioptrien in den Brillengläsern), hatte ich mich dazu entschlossen, meine Selbstständigkeit als Mediengestalter und Illustrator zu beenden und mit knapp 40 ernsthaft über eine Neuorientierung nachzudenken.
Ich legte mich nicht auf eine Richtung fest. Ich interessierte mich für eine Reihe von Berufsfeldern und betrachtete die Neuorientierung wie eine Akquise für Neukunden als Selbstständiger. Ich meldete mich für Studienplätze und gleichzeitig bei Auswahlverfahren für verschiedene Ausbildungsplätze an.

Ich wurde zu mehreren Auswahlverfahren für Ausbildungsplätze im öffentlichen Dienst eingeladen.
Im Vorfeld meldete ich mich bei den Behindertenvertretern des jeweiligen Ministeriums oder der jeweiligen öffentlichen Stelle und informierte mich über Nachteilsausgleiche im Rahmen der Auswahlverfahren. Vier merkwürdige Erfahrungen möchte ich kurz beschreiben.

Erste merkwürdige Erfahrung:
Für eine Ausbildungsstelle bei der Stadt Köln meldete ich mich vor der Prüfung bei dem zuständigen Behindertenvertreter. Das Prozedere für das Auswahlverfahren war sehr unkompliziert. Die Prüfung wurde in einem Raum im Stadthaus Köln an Computerarbeitsplätzen durchgeführt. Die Absprache für den Nachteilsausgleich mit dem Behindertenvertreter sah vor, dass ich eine Beispielaufgabe am PC durchführe und danach mitteile, ob ich mich mit meiner Kurzsichtigkeit in der Lage sehe, an dem Testblock mit ähnlichen Aufgaben teilzunehmen. Sollte die Vergrößerung nicht ausreichen, wurde mir angeboten, den jeweiligen Test mittels vergrößerten Ausdrucken durchzuführen. Das Testverfahren mit Vergrößerung machte mir keine Probleme und ich konnte alle Tests am PC durchführen. Die Prüfung bestand aus mehreren Blöcken (Logisches Denken, Mathematik, Geometrie, Deutsch usw.) über mehrere Stunden. Mitten im Test, in der Pause vor dem Block mit den Mathematikaufgaben, schaut mich der durchführende Prüfer über zwei Reihen hinweg an und ruft in den Raum, zu niemandem speziell: "Ah, der kann ja jetzt keine Mathe, richtig? Der braucht jetzt Blätter, richtig?" Stille, alle im Raum drehen sich zu mir um. Ich erwidere, dass ich die Beispielaufgabe gerade getestet habe und keine Probleme sehe, an dem Matheblock am PC teilzunehmen. Stille. Alle, der Prüfer inklusive, sehen mich an. Danach wenden sich alle, der Prüfer inklusive, wieder ihren Dingen zu. Ich beende an diesem Tag den Rest der Tests und warte danach auf meine Ergebnisse per Post

Zweite merkwürdige Erfahrung
Zweite Erfahrung, andere Ausbildungsstelle im öffentlichen Dienst. Im Vorfeld wieder eine Absprache mit dem Behindertenvertreter. Vergleichbare Lösung für den Nachteilsausgleich. Ähnliche Prüfungssituation. Ich arbeite mit einer Vergrößerung des Bildschirmausschnitts und einer geringeren Entfernung zum Monitor, bin halt kurzsichtig, meine Testblöcke ab. Im Geometrie-Block (den ich mit 0 Fehlern durchlaufe, ich bin Mediengestalter und habe ein Händchen für geometrische Formen...) wendet sich der Prüfer, der etwa drei Meter von mir entfernt im Raum steht und mich beobachtet hat, an einen Kollegen und sagt: "Da können Sie gleich sehen, da ist einfach zu wenig Potential." Ich beende den Test, schließlich läuft die Zeit, und wende mich danach an den Prüfer mit der Bitte, mir zu erklären, welche Information er mit der Äußerung transportieren wollte. Er wiegelt ab, dass seine nur eine private Einschätzung gewesen und hätte nichts mit dem Prüfungsverlauf oder meinen Ergebnissen zu tun. Ich wende mich danach an den Behindertenvertreter, der das bedauert, aber meine Ergebnisse seien ja von der persönlichen Einschätzung eines Prüfers nicht abhängig und ich solle einfach die Ergebnisse abwarten.

Dritte merkwürdige Erfahrung
Eine anderes Auswahlverfahren für eine Ausbildungsstelle in einem Ministerium in Bonn. Ich wende mich im Vorfeld an den Behindertenvertreter. Von ihm erhalte ich die Information, ich müsse mir keine Gedanken über einen Nachteilsausgleich machen, die Test würden mündlich erfolgen. Es würden verschiedene Themenbereiche abgefragt, anschließend gäbe es ein Einzelgespräch über meine Motivationen und Erwartungen, ich solle einfach hingehen und Spaß am Test haben.
Ich ging am Prüfungstag hin und bekam vor Ort mitgeteilt, dass der Test aus einem dreistündigen Multiple Choice Test bestünde. Der Test bestand aus gefalteten hellgrauen DinA3 Bögen mit sehr vielen kleinen Blöcken á 10 Fragen mit Antwortmöglichkeiten von A bis J, gedruckt in dunkelgrau. Ich musste kurz lachen. Ich mag abstruse Situationen, sehe mich dann immer als Protagonist in einem Monty Python Sketch. Danach wendete ich mich an die Prüfer. Die waren freundlich, verstanden meine Situation, konnten aber nur anbieten, dass ich aus gesundheitlichen Gründen von dem Test zurücktrete. Ein paar Wochen später bekam ich eine Mail mit einem Ersatztermin für die Auswahlprüfung. Daran habe ich nicht teilgenommen, weil ich zu dieser Zeit bereits andere spannende Optionen wahrnehmen konnte.

Vierte merkwürdige Erfahrung
Eine letzte Erfahrung: eine weitere Auswahlprüfung für eine Ausbildung im öffentlichen Dienst. Dazu gehörte eine augenärztliche Prüfung, die von einer eingeladenen Augenärztin in den Räumen der Ausbildungsstelle durchgeführt wurde. Zu der augenärztlichen Untersuchung gehörte ein Farbentest. Viele kleine Karten, auf denen sich mehrfarbige Punkte und Kringel befinden. Eine 12 aus roten Punkten auf einem Hintergrund aus grünen Punkten, eine gelbe 8 auf Blau, solche Sachen halt. die eingeladene Augenärztin hielt mir die Karten aus etwa 50cm entgegen und bat mich, die Zahlen und Buchstaben zu nennen. Ich sagte ihr, mit Farben hätte ich kein Problem, sei aber kurzsichtig. Über diese Distanz hätte ich auch keine schwarzen Zahlen und Punkte in Arial oder Times New Roman auf einem weißen Hintergrund erkannt. Ich bat sie, die Karten nur etwas näher zu halten, dann könnte ich ihr antworten. Sie sagte, das sei nicht möglich, dadurch würde der Test verfälscht und es bliebe ihr jetzt nur die Möglichkeit, mich als Farbenblind einzutragen. Ich sagte ihr höflich aber bestimmt, dass könne sie gerne tun, ich würde mich aber umgehend im Anschluss an den Test über sie und das krude Testverfahren beim Behindertenvertreter und bei der Personalabteilung des öffentlichen Dienstes beschweren. Sie wurde etwas ungehalten, blieb aber ebenfalls höflich uns sagte, mehr könne sie leider nicht in der Angelegenheit für mich tun. Ich hatte zwei längere Gespräche. Der Behindertenvertreter verstand meine Kritik und beschwerte sich ebenfalls über das Verfahren. Die Personalabteilung, genauer die Organisation der Auswahlverfahren, sah kein Problem, die augenärztliche Prüfung wäre korrekt nach den Richtlinien durchgeführt worden, teilte mir aber gleichzeitig mit, ich sei aufgrund meiner Ergebnisse, insbesondere wegen mangelndem Teamworks, ohnehin nicht für eine nähere Auswahl für die Stelle in Betracht gezogen worden, insofern wäre das Testergebnis nicht mehr relevant.

 

(Veröffentlicht von Thomas, 2016)